Neues aus der „Library of Lost Books“

Aktionstag zur Büchersuche in der Staatsbibliothek zu Berlin mit dem Lise-Meitner-Gymnasium

Nach einer informativen Vorbereitungssitzung und einem produktiven Aktionstag wurden am 5. Dezember 2023 mehr als 100 Bücher untersucht. 24 Schülerinnen und Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums in Falkensee machten sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit dem Erinnerungsprojekt „Bibliothek der verlorenen Bücher“ vertraut. Sie lernten die Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien und den Diebstahl der Institutsbibliothek im Jahr 1942 kennen, diskutierten darüber, was es bedeutet, wenn etwas weggenommen wird, und begaben sich selbst auf Büchersuche. Die SchülerInnen lernten, wie man im Online-Katalog einer großen wissenschaftlichen Bibliothek nach Titeln sucht. Mit den neu erworbenen Kenntnissen wählten sie Bücher aus einer Liste von Bänden aus der Hochschule aus, die heute noch vermisst werden, und bestellten sie in den Lesesaal.

© Staatsbibliothek zu Berlin

Ausgestattet mit unseren charakteristischen Detektiv-Notizbüchern und rosafarbenen Bleistiften untersuchten sie die Titel in Eigenarbeit. Neben vielen wiederkehrenden, eher harmlosen Spuren – wie Stempeln und Akzessionsnummern der Königlichen Bibliothek zu Berlin (der Vorgängerin der Staatsbibliothek) – entdeckten sie auch bisher unbekannte, beunruhigende Spuren. Die jungen Buchdetektive identifizierten auch weitere zu überprüfende Objekte. Die Signatur „Wilcken“ zum Beispiel wurde dem Althistoriker und Papyrologen Ulrich Wilcken (1862-1944) zugeschrieben, dessen Forschungsinteressen durchaus mit dem Inhalt des untersuchten Buches übereinstimmten. Überlagert oder unter Schwärzungen versteckt fanden sie Stempel der Bibliothek des 1917 in Königsberg gegründeten Lutherheims, das 1938 von der Gestapo zwangsweise aufgelöst wurde.

In einem Buch mit dem Titel „Geschichte der Juden und ihrer Literatur“ findet sich auf der Titelseite ein bisher völlig unbekannter, nicht dokumentierter Stempel mit dieser Aufschrift: „Gewidmet von der Vereinigung der jüdischen Jugendorganisationen“.

 

Anhand konkreter Beispiele lernen die Bücher-Detektive Spuren der Provenienzforschung kennen und zu deuten. © Doris Limbach

Diese Marke bezieht sich nicht auf die Bibliothek der Hochschule für Jüdische Studien, sondern auf einen 1909 gegründeten Verband jüdischer Jugendorganisationen, der in den 1920er und frühen 1930er Jahren Bezirks- und Landesverbände in ganz Deutschland hatte, ein eigenes Mitteilungsblatt herausgab und jährliche Treffen abhielt. Seine Geschichte scheint vergessen, absichtlich dem Vergessen preisgegeben.

Nicht zuletzt dieser „Beifang“ macht das Erinnerungsprojekt „Library of Lost Books“ für die Bücherdetektive, für die Bibliotheken, in denen gesucht wird, und für die Gesellschaft insgesamt gleichermaßen interessant und fruchtbar. Vergessene Dinge werden wiederentdeckt, Organisationen und Menschen, die von den Nazis mutwillig zerstört und zerstreut wurden, finden sich wieder. Junge Menschen entdecken (wieder) den Wert von Bibliotheken und Büchern, übernehmen Verantwortung, schreiben ihre eigene Geschichte im Bewusstsein dessen, was zwischen 1933 und 194 geschah.

von Regine Dehnel (übersetzt aus dem Englischen)

Weitere aktuelle Meldungen über die „Library of Lost Books“ gibt es hier.

Für zukünftige Aktionstage deutschlandweit werden interessierte Schulen gesucht.

Interessierte Schulen in Deutschland können sich an [email protected] wenden. Darüber hinaus werden im DOWNLOADBEREICH der Website Materialien und konzipierte Lerneinheiten bereitgestellt.

Die „Library of Lost Books“ ist ein Kooperationsprojekt des LBI Jerusalem, LBI London und den Freunden und Förderern des Leo Baeck Instituts. Es wird gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium für Finanzen (BMF).

Videobeitrag über die „Library of Lost Books“ vom rbb (Quelle: rbb | 29.11.2023).

Auszug aus dem Trailer "Library of Lost Books" © LBI Jerusalem, London