Irene Aue-Ben-David 

Irene Aue-Ben-David 

DIREKTORIN

LBI JERUSALEM

Interview und Text:
Dr. Raphaela Kitzmantel
August 2022

„Erinnern findet in Israel nicht nur rückwärtsgewandt statt. Es geht bei der Reflexion über die deutsch-jüdische Vergangenheit in diesem dynamischen Land immer auch darum, einen Auftrag für die Zukunft abzuleiten.“

EINE BLÜHENDE ZUKUNFT

Irene Aue-Ben-David hat ein Ziel: Das Leo Baeck Institut Jerusalem soll ein aktives Forschungs-, Veranstaltungs- und Begegnungszentrum sein, das sich dem Publikum öffnet. Als Direktorin hat sie das Institut nicht nur sicher durch die letzten beiden Pandemiejahre geschifft, sondern auch den Kontakt zur Öffentlichkeit durch Online-Veranstaltungen weiter ausgebaut. Sie koordiniert ein achtköpfiges Team, das laufend Events zu aktuellen Themen und Forschungsinhalten veranstaltet.

Aus Göttingen, einer bekannten deutschen Universitätsstadt stammend, verschlug es Irene Aue-Ben-David im Zuge ihrer Dissertation erstmals nach Jerusalem. Diese widmete sie der deutsch-jüdischen Historikerin Selma Stern, die auch Gründungsmitglied des Leo Baeck Instituts New York im Jahr 1955 gewesen war. Die Begegnung mit dieser beeindruckenden Persönlichkeit war es, die Irene Aue-Ben-David tief in die Welt der jüdischen Geschichte eintauchen ließ. Ihre Begeisterung für Israel hält seitdem an. Die ersten beruflichen Stationen nach Studien der Geschichte, Soziologie und Pädagogik an der Universität Göttingen waren das Franz Rosenzweig Minerva Research Center an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie das Van Leer Jerusalem Institute, wo sie an großen Forschungsprojekten beteiligt war.

Seit 2015 hat sie ihre derzeitige Position inne und legt diese aktiv an: Eines der gegenwärtigen Herzensprojekte der Direktorin ist es, die zerstörte Bibliothek für die „Hochschule der Wissenschaft des Judentums“, welche in Berlin bis ins Jahr 1942 bestanden hatte, digital wieder zugänglich zu machen. Geplant ist eine Online-Ausstellung, die ergänzt durch physische Installationen einzelner Bücher an den Orten, an denen Bücher der geraubten Bibliothek aufgefunden wurden, dazu aufrufen wird, sich an der Suche nach verbleibenden Büchern zu beteiligen. (Beispiele von bemerkenswerten Fundorten: Jerusalem, Prag, New York, London, Cincinnati, Heidelberg, Potsdam, Frankfurt.) Das Leo Baeck Institut Jerusalem spielt hier eine wichtige Vernetzungsrolle zur wissenschaftlichen Community, die an dem Projekt beteiligt ist.

Eines steht für Irene Aue-Ben-David fest: Erinnern findet in Israel nicht nur rückwärtsgewandt statt. Es geht bei der Reflexion über die deutsch-jüdische Vergangenheit in diesem dynamischen Land immer auch darum, einen Auftrag für die Zukunft abzuleiten. Daher gilt es auch, als Institut nicht nur die Studierenden und Forschenden, sondern die breite interessierte Öffentlichkeit ohne Scheuklappen anzusprechen und ihnen die liberalen Werte und die Erfahrungen des deutschsprachigen Judentums nahezubringen. Dies gelingt über eine das jugendliche Publikum ansprechende Einbindung von social media und hybride Veranstaltungen der Forschenden, aber auch mit der geplanten Erneuerung des Institutsgebäudes in Jerusalem: Umbau und Neugestaltung sollen das 1961 vom Bauunternehmen RASCO erbaute Gebäude zu einem attraktiven Treffpunkt für die Nachbarschaft des Katamon-Viertels machen. Ein Raum für Begegnung, Kulturerlebnis und Wissenschaft wird entstehen und zum Entdecken, Verweilen und Mitdiskutieren einladen.

Jerusalem ist das befruchtende Umfeld für das Leo Baeck Institut, die Stadt, die die Direktorin als „Anregung, Überforderung und Aufgabe“ beschreibt. Eine Aufgabe hat sie auch mit der geplanten Neugestaltung des Innenhofes des Instituts übernommen. Rosmarin und Zitronen sollen hier wachsen und gedeihen – so wie die Gedanken und Ideen der Forscher und Besucher des Leo Baeck Instituts. In ihrem eigenen Zuhause findet der rege Austausch innerhalb der Familie mit zwei kleinen Kindern statt. Einer blühenden Zukunft steht nichts im Wege!